„JEDER BIERTRINKER WEIß, WIE ER SEIN GLAS ANSCHAUEN MUSS."

Wasser- und Saftgläser, Whisky- und Schnapsgläser, Bier- und Weingläser, auch Glassterne, Glasfiguren und Karaffen, alle mundgeblasen in verschiedenen Formen und Farben, gibt es in einer verträumten, bunten Werkstatt am Donauufer im oberösterreichischen Aschach zu sehen. Aber der Kunstglasbläser Thom Feichtner stellt dort keine Objekte zum bloßen Anschauen her.

„50 % meiner Verkaufsgespräche sind Überzeugungsarbeit, dass mundgeblasenes Glas nicht empfindlicher sein muss als industriell gefertigte Gläser“, sagt Thom Feichtner. Das Gegenteil ist der Fall. Seine Produkte sind auch für heiße Getränke geeignet, die Espressotassen samt Glaslöfferl etwa, es gibt selbst robuste Kindergläser und sogar sturmsichere Glaswindspiele, die heute in der Brise des Donautals sanft gegeneinander stoßen und ständig durch das Atelier klingen. Der Wind kommt durch die offene Tür und auch Besucher – die vielen Radtouristen etwa oder Gäste des Schopper- und Fischermuseums nebenan – können einfach hereinspazieren, Feichtner bei der unablässigen Arbeit zusehen, Fragen stellen und sich vielleicht mit ein paar Schmuckstücken im Gepäck wieder auf den Weg machen.

Handwerk

Thom Feichtners Spezialität ist das freie Formen. Mundgeblasenes Glas wird sonst eigentlich immer in feste Formen eingeblasen. In Aschach dehnen sich dagegen die Glasrohre in der Hitze der Stichflamme, die Feichtner mit den Füßen kontrolliert, durch Zublasen langsam aus, während er sie durch rasches Wenden und Bearbeiten – das Werkstück in der einen Hand, Werkzeuge in der anderen – zusehends in Form bringt. „Ich kann so die Materialverteilung besser kontrollieren und, zum Beispiel für einen Sommelier, optimal gestalten. So kann ich sie auch stabil machen und erreichen, dass sie etwa oben dünner sind als unten. Damit es immer schön klingt, wenn man anstößt. Außerdem ist das haptische Erlebnis ein anderes: Meine Kunden müssen mir ja immer versprechen, dass sie die Gläser auch verwenden, denn für die Vitrine verkaufe ich nicht. Das ist aber auch ein kleiner Marketingschmäh, denn sobald sie es in der Hand halten, spüren sie, dass sich ein mundgeblasenes Glas anders anfühlt – organischer. Dann wollen sie mehr“, lacht der Glasbläser.

Erfahrungsvorsprung

Die Geschwindigkeit mit der Thom Feichtner die Glasrohe immer wieder erhitzt, dreht und formt verrät es nicht, aber mit flüssigem Borsilikatglas zu arbeiten, erfordert viel Geduld, noch mehr Fingerspitzengefühl und vor allem viel Erfahrung. „Ich habe immer geschaut, dass ich sehr viele Gläser mache, damit ich die Fingerfertigkeit erlange, aber auch damit ich hohe Stückzahlen habe und so den Preis möglichst niedrig halten kann.“ Besonders an den Windspielen lässt sich das hohe Handwerk erkennen. Auf die hielt Feichtner sogar einige Zeit lang das Patent. Das ließ er aber auslaufen, denn er muss keine Angst haben, dass sie ihm jemand nachmacht. Alleine schon wegen des Erfahrungsvorsprungs. Aber Thom Feichtner geizt nicht mit seinem Wissen, im Gegenteil. An den Nach- wuchs gibt er es gerne weiter, hat auch immer wieder jemanden in seiner Werkstatt, der eine Zeit lang mitarbeitet, auch weil er selbst nicht so viel Glück hatte. Der Autodidakt bekam nur wenig Anleitung von der älteren Generation, meist sogar absichtlich irreführende. „Am Anfang habe ich alles aufgesogen, denn auch das Technische an der Glasbläserei hat mich immer interessiert“, erzählt der gelernte KFZ-Mechaniker, „in Murano hat man mich sogar einmal unsanft vor die Tür gesetzt, weil ich zu viele Fragen gestellt habe.“

Gläser mit Geschichte

Begonnen hat Thom Feichtner eigentlich als freischaffender Künstler, zu den Trinkgläsern kam er eher durch Zufall. „Mir ist der Galeriebetrieb auf die Nerven gegangen, außerdem wollte ich, dass die Leute meine Sachen angreifen können. Schöne Sachen, aber solche, die benutzt werden.“ Ein Freund, der in eine Winzerfamilie einheiratete, setzte ihn dann darauf an, mit Wein- und Schnapsgläsern zu experimentieren, eine Whisky Society aus Linz beauftragte ihn mit der Kreation des perfekten Whiskyglases. An solchen Aufträgen feilt Thom Feichtner dann gemeinsam mit den Kunden mitunter noch jahrelang herum. Zu jeder Glasform kann er eine Geschichte erzählen, wo auch immer Kundenideen und -wünsche einen Beitrag leisten: „Die spektakulär schönen Gläser sind die, an denen man sich nach ein paar Jahren satt gesehen hat. Viel wichtiger für das Design ist: Wie liegt es in der Hand? Wie groß muss es sein? Für welchen Zweck ist es gedacht? Deshalb hab ich auch jahrelang keine Biergläser gemacht, denn jeder Biertrinker weiß schon vorher, wie sein Glas ausschauen muss. Da habe ich mich geweigert, eigene zu machen, weil sie ja nicht zu verkaufen waren.“

Lebensform Bier

„Dann ist es aber doch immer häufiger vorgekommen, dass von außen die Anregung kam, ich muss jetzt ein Bierglas machen. Ehefrauen sind immer wieder mit den Lieblingsgläsern ihrer Männer gekommen und haben als Geschenk heimlich eine mundgeblasene Kopie herstellen lassen. Auch so entstehen Gläser“, lacht Feichtner. Wieder hat er dann lange am Design gefeilt, heute hat er vier verschiedene Biergläser in seinem Standardprogramm. Eines für Weißbier, lang und schmal, damit die Kohlensäure schön durchperlt und der Geschmack sich entfalten kann. Ein Halbe-Glas, ein Seidl und ein Pfiff: „Alle mit einer Form, die oben ein bisschen nach innen geht, damit der Schaum schön stehen bleibt. Diese Allround-Gläser mache ich sehr gerne, weil sie auch irrsinnig gut in der Hand liegen. Grundsätzlich mache ich auch Biertulpen, aber die sind sehr viel Arbeit.“ Trotzdem stellt er am Ende des Tages natürlich auch diese her, wenn sie das optimale Glas fürs Bier sind: „Denn für mich ist auch Bier eine Lebensform, die genauso eine eigene Behausung haben will, wo sie sich wohlfühlen und entfalten kann.“

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